Die Geschichte der Illusion des Ich
- Cosmic Dimension

- 21. Mai 2023
- 6 Min. Lesezeit
Es gab einen großen Philosophen, wie es viele gibt. Aber eine Geschichte aus seinem Buch „Die Illusion des Ichs“, mit der er Kindern die grundlegenden Fragen beantwortete: „Woher kommt die Welt?“, „Wo war ich, bevor ich geboren wurde?“, „Warum hat Gott die Welt erschaffen?“, wollte ich unbedingt mit euch teilen.

Wie Alan Watts in seinem Buch weiter schreibt, handelt es sich um eine alte und leicht verständliche Geschichte, die, wie er selbst sagt, nicht von ihm stammt, sondern aus dem alten Indien und eine mystische Erklärung der Vedanta-Philosophie ist.
Und obwohl ich selbst kein Kind mehr bin, hat mir diese wunderbare Geschichte so gut gefallen, dass ich sie gerne weitergeben möchte, um sie allen Menschen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Vielleicht sollten wir auch wieder wie Kinder sein, wie Jesus es gesagt hat, um die so einfachen Dinge zu verstehen, zu denen wir im Alltag des Erwachsenenlebens oft nicht mehr fähig sind. Vielleicht nicht, weil wir es nicht wollen, sondern weil wir es verlernt haben, weil es uns anders beigebracht wurde. Aber wir alle können, wenn wir wollen, wenn wir den Mut haben, wenn wir Menschen an unserer Seite haben, die uns die Hand reichen, uns unterstützen und führen, den Weg zurück ins Licht zu finden.
Und jetzt zur Geschichte
»Es hat nie einen Zeitpunkt gegeben, an dem die Welt angefangen hat, weil sie immer wie in einem Kreis herumgeht. Auf einem Kreis gibt es aber keinen Punkt, wo er beginnt. Schau mal auf meine Armbanduhr, die die Zeit angibt: Die Zeiger gehen immer im Kreis herum, und so wiederholt sich die Welt immer wieder. Aber so wie der Stundenzeiger der Uhr mal oben auf zwölf und mal unten auf sechs steht, so gibt es auch Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Leben und Sterben, Sommer und Winter. Das eine wäre ohne das andere nicht möglich, weil du nicht wissen könntest, was schwarz ist, ehe du es nicht Seite an Seite mit weiß gesehen hast, und umgekehrt.
Genauso gibt es Zeiten, in denen die Welt ist, und Zeiten, in denen sie nicht ist, denn wenn sie ohne Rast und Ruhe für immer und ewig weiterlaufen würde, würde sie ihrer selbst vollkommen überdrüssig werden. Sie kommt und geht. In einem Augenblick siehst du sie, in einem anderen Augenblick nicht. Weil sie aber ihrer selbst nicht überdrüssig wird, kommt sie immer wieder zurück, nachdem sie verschwunden ist. Es ist so wie dein Atem: Du atmest ein und aus, ein und aus, und wenn du versuchst, die ganze Zeit über den Atem anzuhalten, dann geht es dir sehr schlecht. Es ist auch so wie beim Versteckspiel: Es macht nämlich immer Spaß, sich woanders zu verstecken und nach jemandem zu suchen, der sich nicht immer am gleichen Ort versteckt. Gott spielt auch gern Versteck, aber da es niemanden außer ihm gibt, hat er niemanden, mit dem er spielen kann. Aber dieses Problem bewältigt er, indem er vorgibt, nicht er selber zu sein. So kann man sich vor sich selber verstecken. Er gibt vor, du, ich, alle Menschen auf dieser Welt, alle die Tiere, die Pflanzen, die Steine und die Sterne zu sein. Auf diese Weise erlebt er seltsame und wunderbare Abenteuer, von denen einige fürchterlich und erschreckend sind. Aber sie sind wie schlechte Träume, denn wenn er aufwacht, sind sie weg.
Wenn Gott nun Versteck spielt und vorgibt, du und ich zu sein, dann spielt er es so gut, dass er lange Zeit braucht, bis er sich daran erinnert, wo und wie er sich versteckt hat. Aber genau das bereitet ihm Spaß, ist das, was er tun wollte. Er will sich selber nicht allzu schnell wieder finden, denn damit würde er das Spiel verderben. Das ist auch der Grund dafür, weshalb es für dich und für mich so schwierig ist herauszufinden, dass wir Gott sind, der sich verkleidet hat und vorgibt, nicht er selber zu sein. Aber wenn das Spiel lange genug gedauert hat, wacht jeder von uns auf, hört auf, etwas anderes vorzutäuschen, und erinnert sich, dass wir alle ein einziges Selbst sind – der Gott, der alles ist, was es gibt, und der immer und ewig lebt. Du darfst natürlich nicht vergessen, dass Gott nicht wie ein Mensch aussieht. Die Menschen haben eine Haut, und es gibt immer irgendetwas außerhalb unserer Haut. Wenn es sie nicht gäbe, würden wir gar nicht den Unterschied kennen zwischen dem, was innerhalb unseres Körpers ist, und dem, was außerhalb unseres Körpers ist. Aber Gott hat keine Haut und keine Gestalt, weil es nichts außerhalb von ihm gibt. (Bei einem Kind, das schon intelligent genug ist, veranschauliche ich dies mit Hilfe eines Möbius-Streifens – einem Papierstreifen, der zu einem Ring zusammengerollt und so verdreht wird, dass er nur eine Seite und einen Rand hat.)
Innerhalb und außerhalb von Gott sind dasselbe. Und obwohl ich von Gott als von „ihm“ und nicht von „ihr“ gesprochen habe, ist Gott weder ein Mann noch eine Frau. Ich habe nicht „es“ gesagt, weil wir „es“ normalerweise für Dinge sagen, die nicht leben. Gott ist das Selbst der Welt, aber du kannst Gott aus dem gleichen Grund nicht sehen, wie du deine eigenen Augen nicht ohne einen Spiegel sehen kannst und wie du dir auch nicht in deine eigenen Zähne beißen oder in deinen Kopf hineinsehen kannst. Dein Selbst ist so geschickt versteckt, weil es Gott ist, der sich versteckt. Du wirst vielleicht fragen, warum sich Gott manchmal in der Gestalt schrecklicher Menschen versteckt oder vorgibt, Leute zu sein, die unter einer schweren Krankheit oder unter starken Schmerzen leiden.
Denke zunächst einmal daran, dass er dies in Wirklichkeit niemand anderem außer sich selber antut. Denke auch daran, dass in beinahe allen Geschichten, die dir gefallen, gute wie auch schlechte Menschen vorkommen müssen, denn das Spannende an einer Geschichte liegt darin, dass man verfolgt, wie die guten Menschen über die schlechten Menschen siegen. Es ist so, wie wenn wir Karten spielen. Zu Beginn eines Spiels bringen wir alle Karten in ein Durcheinander, was sich mit den schlechten Dingen auf dieser Welt vergleichen lässt, aber der Witz an dem Spiel ist der, dieses Durcheinander in eine Ordnung zu bringen, und derjenige, der dies am besten tut, ist der Gewinner. Dann mischen wir die Karten wieder und machen ein neues Spiel, und genauso geht es mit der Welt.«
Aus dem Buch „Die Illusion des Ich“ von Alan Watts (Seite 26-30)
Geht es uns nicht allen auch manchmal so, das wir uns auf irgendeine Art und Weise verloren fühlen, uns nicht wiederfinden können, weil wir es vergessen haben, so wie Gott in dieser Geschichte?
Vielleicht haben wir das, vielleicht aber auch nicht. Denn so wie Gott weiß, dass es nur ein Spiel ist und er sich selbst nicht verlieren kann, so geht es uns allen. Nur fällt es uns in unserer täglichen Erfahrung der Welt der Dualität umso schwerer, uns daran zu erinnern, dass wir das Gleiche mit uns selbst machen. Am Ende sind wir alle eins, aber wir sind nur gespalten, um uns selbst erfahren zu können. So wie das Auge sich nicht selbst sehen kann und dazu ein Hilfsmittel braucht, so sind die anderen Menschen unsere Spiegel, in denen wir uns wiederfinden können. Aber es scheint so schwer zu sein, uns zu erinnern, und manchmal scheint es, dass sich alles gegen uns wendet, uns wieder zu entdecken. Aber es ist unser Verstand, der uns daran hindert, weil er nicht fassen und begreifen kann, was mit dem Herzen und der Liebe gefühlt und erlebt werden kann. Dieses komplexe Werkzeug scheint für so einfache Aufgaben nicht geschaffen zu sein und hindert uns so daran, über vieles hinauszugehen und so diese Wiedervereinigung mühelos zu erreichen.
Und ob es für den einen viel Zeit sein wird und für den anderen nicht, wir werden alle zur Quelle zurückkehren. Alles und jeder hat seine Zeit, und der Große Geist ist immer da und wird dir immer wieder aufhelfen, wenn du fällst. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem du es aus eigener Kraft schaffst. Das ist das Gesetz der Natur und der Kreislauf des Lebens. Aber natürlich können wir unseren Teil dazu beitragen, uns jederzeit von den Leiden, von denen Buddha spricht, zu befreien und so die Zeit zu beeinflussen, um das Ziel des Weges schneller zu erreichen.
Was ist ein Möbius-Streifen?

Vielleicht auch als Möbiusbband bekannt, bezeichnet es eine Fläche, die nur eine Kante und eine Seite hat. Würde man es mit einem länglichen Papierstreifen beschreiben, den man an den Enden um 180 Grad gedreht zusammenklebt, würde man feststellen, dass man nicht zwischen oben und unten oder außen und innen unterscheiden kann. Es gibt praktisch keine Orientierung und es geht in sich selbst über, so dass, wenn man anfängt, eine Seite einzufärben, am Ende alles eingefärbt ist.
Allen, die das Buch noch nicht kennen und mehr über die Illusion des Ichs und die Dualität unserer Welt erfahren möchten, kann ich es wärmstens empfehlen. Unterhalb des Geschichte befindet sich ein Link zum herunterladen des Buches. Wer mehr über den Autor Alan Watts wissen möchte, findet hier bei Wikipedia weitere Informationen. Da er sich auch viel mit fernöstlicher Weisheit beschäftigt hat, gibt es noch viele andere tolle Bücher, vor allem aus dem Bereich des Taoismus, die sich auch sehr gut lesen, auch wenn sie nicht immer auf den ersten Blick leicht zu verstehen sind.
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