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Mein erster Vipassana Kurs

Aktualisiert: 13. Juli


Meditation Vipassana

Vipassana ist eine der ältesten Meditations- und Selbstbeobachtungstechniken Indiens, die sicherlich schon vor über 2.500 Jahren als Behandlungsmethode für universelle Leiden gelehrt wurde, aber auch als Lebenskunst gilt. Zu Buddhas Zeiten bedeutete "passana" im gewöhnlichen Sinne sehen, mit offenen Augen. Vipassana bedeutet, die Dinge so zu sehen und zu beobachten, wie sie wirklich sind, und nicht, wie sie zu sein scheinen.

"Die scheinbare Realität muss durchdrungen werden, bis wir die letztendliche Wahrheit der gesamten physischen und mentalen Struktur erreichen. Wenn wir diese Wahrheit erfahren, dann lernen wir, nicht mehr blind zu reagieren, keine Unreinheiten mehr zu erzeugen - und natürlich werden die alten Unreinheiten allmählich ausgelöscht. Wir werden frei von allem Leiden und erfahren wahres Glück." - Herr S.N Goenka

Dies ist ein Bericht über die persönlichen Erfahrungen eines Bruders und Mitwirkenden im Rahmen seines akademischen Studiums der Sozialen Arbeit in München, Deutschland. Darin beschreibt er ausführlich die Herausforderungen und Entdeckungen dieses besonderen und faszinierenden Eintauchens in die tiefen Kontakt seines selbst auf einem Retreat, besser bekannt als der 10-Tage-Kurs, der von Vipassana angeboten wird.





Im Rahmen meines Studiums der Sozialen Arbeit habe ich am Münchner Modell teilgenommen, das seit 2010 von Prof. Dr. Andreas de Bruin an der Hochschule München in Form von Lehrveranstaltungen angeboten wird. Das Münchner Modell ist ein Angebot zum Thema Achtsamkeit und Meditation im Hochschulkontext und an dem bisher über 2000 Studierende teilgenommen haben. (vgl. de Bruin 2021, S.11) Dort hörte ich zum ersten Mal von Vipassana Meditation, als die Dokumentation „Dhamma Brohters“ gezeigt wurde. Der Dokumentarfilm begleitet eine Gruppe von Häftlingen in den USA, die in der Donaldson Correction Facility einen zehntägigen Vipassana-Meditationskurs absolvieren. Dieser beeindruckende Film blieb mir bis zum Ende meines Studiums im Gedächtnis, so dass ich mich dazu entschloss, meine Bachelorarbeit über das Thema „Meditation im Gefängnis“ zu schreiben. Während der Recherche erfuhr ich von den Vipassana-Kursen, die in Hausham angeboten bzw. durchgeführt werden. Nach einem Austausch mit Prof. Dr. de Bruin entstand die Idee, im Rahmen meiner Bachelorarbeit selbst an einem 10-tägigen Kurs teilzunehmen.


Aufgrund der großen Nachfrage nach Vipassana-Kursen in ganz Europa erwies es sich als schwierig, sich für einen solchen Kurs anzumelden. In der Regel sind die Kurse bereits am Tag der Veröffentlichung ausgebucht. Schließlich bekam ich einen der begehrten Plätze über die Warteliste. Vipassana ist eine Meditationstechnik aus der buddhistischen Tradition und wird auch als Einsichtsmeditation bezeichnet. Das altindische Wort Vipassana bedeutet wörtlich übersetzt „Einsicht“ und bezieht sich auf die achtsame Bewusstmachung der Wirklichkeit im hier und jetzt. Vipassana bedeutet die Realität so zu sehen, wie sie tatsächlich ist. Durch die achtsame Beobachtung der Körperempfindungen wird die meditierende Person immer sensibler in ihrer Wahrnehmung. Durch die ständige Beobachtung dringt der Meditierende in tiefere Stadien der Meditation ein und soll dadurch Einsicht über die wahre Natur der Dinge erlangen.


Am Kursort angekommen musste ich zunächst ein Anmeldeformular ausfüllen und mein Handy abgeben, das bis zum Ende des Kurses aufbewahrt wurde. Allgemein wurde darauf geachtet, das Ablenkungspotential auf ein Minimum zu reduzieren, damit sich alle TeilnehmerInnen bestmöglich auf ihre Meditation fokussieren konnten. Der Kursort Hausham ist eigentlich eine Jugendherberge, die für die Dauer des Kurses umfunktioniert wird. Während des Kurses teilte ich mir ein Zimmer mit vier weiteren männlichen Teilnehmern. Es herrscht eine strikte Geschlechtertrennung, die auch in Form von Absperrungen und Vorhängen durchgesetzt wird. Lediglich in der Dhamma-Halle (Meditationshalle) befinden sich alle SchülerInnen im selben Raum. Dennoch wird auch hier darauf geachtet, dass die männlichen Schüler getrennt von den weiblichen sitzen. Generell wurde zwischen alten und neuen Schülern unterschieden. Alte SchülerInnen sind alle TeilnehmerInnen, die bereits mindestens einen zehntägigen Vipassana-Kurs absolviert haben.


Es ist wichtig, sich vor Beginn eines Kurses mit allen Regeln vertraut zu machen. So soll in den ersten neun Tagen des Kurses das „Edle Schweigen“ eingehalten werden. D.h. die TeilnehmerInnen sollen nicht untereinander kommunizieren (auch nicht mit Mimik oder Gestik), um die anderen nicht abzulenken oder ihren spirituellen Prozess zu stören bzw. zu beeinflussen. Am schwarzen Brett konnte man sich einen Überblick über den Tagesablauf verschaffen, der bis auf kleine Änderungen jeden Tag gleich war. Geweckt wurde jeden Tag pünktlich um 4 Uhr mit einem Gong. Dieser Gong leitete auch immer die Meditationssitzungen ein, die durchaus mehrere Stunden dauern konnten. Zwischen den Sitzungen gab es immer wieder kleine Pausen, in denen man die Möglichkeit hatte, ein wenig auf dem Gelände herumzulaufen und sich auszuruhen. Neben einem Frühstück, das meist aus Haferbrei mit Trockenfrüchten und etwas Brot bestand, gab es um 11:00 Uhr Mittagessen. Für die alten Schüler gab es danach nichts mehr zu essen. Die neuen Schüler bekamen um 17:00 Uhr noch etwas Obst. Jeden Tag von 19:15 Uhr bis 20:15 Uhr gab es einen Vortrag von S.N. Goenka im Videoformat, wobei man zwischen dem englischen Originalvortrag und einer deutschen Übersetzung wählen konnte.


In den Abendvorträgen wurde die zuvor praktizierte Technik erklärt und mit theoretischem Hintergrund beleuchtet. Die letzte Meditation endete pünktlich um 21 Uhr, sodass sich die SchülerInnen auf ihre Zimmer und zur Bettruhe begeben konnten. In der Dhamma-Halle wurden allen SchülerInnen ihre festen Sitzplätze für die kommenden Tage zugewiesen. Es gab einen Vorrat an Meditationskissen und Decken, die ausgeliehen werden konnten. Viele TeilnehmerInnen brachten aber auch ihre eigenen Meditationskissen mit. Langsam füllte sich die Halle und die beiden Assistenzlehrer betraten den Raum. Sie thronten am anderen Ende der Halle auf einer kleinen Erhöhung im Lotussitz, so dass sie für alle gut sichtbar waren. Knapp 100 Menschen lauschten nun den Anweisungen von S.N. Goenka, dessen Aufnahme über Lautsprecher zu hören war. Der englischen Originalaufnahme folgte eine deutsche Übersetzung. Zu Beginn und am Ende jeder Meditationssitzung erklangen von Goenka gesungene Chants, um die richtige Atmosphäre zu schaffen.


In den ersten drei Tagen sollten wir uns nur auf unsere Atmung konzentrieren. Auf unsere natürliche Atmung, wie Goenka immer wieder betonte. Wir sollten ausdrücklich nicht bewusst einatmen oder tiefere Atemzüge nehmen, sondern den automatischen Atem, wie er von selbst kommt und geht. Ziel dieser Übung war es, uns auf die Vipassana-Meditation vorzubereiten, indem wir uns auf ein Meditationsobjekt konzentrieren sollten, das von Tag zu Tag kleiner wurde. Zuerst sollten wir den ganzen Bereich der Nase beobachten, den Eingang der beiden Nasenlöcher und die Nasengänge. Dabei sollten wir die einströmende und ausströmende Luft spüren. Schließlich blieb uns nur noch der Bereich über der Oberlippe und unter den Nasenflügeln, um unseren Atem zu beobachten.


Schon am ersten Tag bin ich an meine Grenzen gestoßen. Mein Körper wehrte sich regelrecht gegen das stundenlange Sitzen. Zuerst überkam mich eine innere Unruhe, dann begannen die Schmerzen. Immer wieder änderte ich meine Sitzposition, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Aber die körperlichen Schmerzen waren nicht das einzige Problem. Wilde Gedanken und Tagträume erschwerten das Meditieren. Immer wieder kamen auch Zweifel auf, ob ich die 10 Tage durchhalten würde, oder ob ich nicht doch lieber wieder nach Hause fahren sollte. „Wo bin ich nur hier gelandet?!“, ging es mir durch den Kopf. Aber so schnell wollte ich nicht aufgeben und ich blieb sitzen. Drei Tage nur auf die eigene Atmung konzentrieren. Ich bin wieder an meine Grenzen gestoßen. Die Gedanken und Tagträume wurden zwar von Tag zu Tag besser, aber meine innere Stimme wollte nicht so richtig zur Ruhe kommen. Mein Körper gewöhnte sich langsam an das lange Sitzen, aber meine Schwachstellen wurden mir deutlich vor Augen geführt. Dabei dachte ich vor dem Kurs, dass mir das lange Schweigen die größten Probleme bereiten würde. Falsch gedacht. Meine Knie fühlten sich an, als wäre ich stundenlang gewandert. Um dem entgegenzuwirken, begann ich mich vor, nach und zwischen den Einheiten zu dehnen. „Hoffentlich halten meine Beine durch“, dachte ich mir.


Die abendlichen Vorträge waren mein Anker, denn ich wusste, dass der Tag bald zu Ende sein würde. Und ich hatte das Gefühl, dass Goenka seine Worte direkt an mich richtete. Er sprach von den körperlichen und geistigen Strapazen, die ich am eigenen Leib erfahren hatte und die anscheinend dazu gehörten. Es sei eine normale Reaktion von Körper und Geist, sich zu wehren. Denn wir sind es nicht gewohnt, lange zu sitzen und zu meditieren. Er betonte die Entschlossenheit und Disziplin, welche alle SchülerInnen an den Tag legen sollten. Man solle sich genau an die Anweisungen und Instruktionen halten, nur dann könne Vipassana funktionieren. Ich wollte der Technik eine Chance geben. Ich war fest entschlossen, die ganzen 10 Tage durchzuhalten. Jedes Mal, wenn ein Moment des Zweifels aufkam, sammelte ich mich und konzentrierte mich erneut auf ein Meditationsobjekt. Mit der Zeit wurden meine Zweifel leiser und seltener, bis sie schließlich ganz verschwanden.


Der vierte Tag war für alle neuen SchülerInnen ein sehr spannender Tag, denn am vierten Tag würden wir endlich mit Vipassana beginnen. Die ersten drei Tage dienten nur der Vorbereitung, um unsere Konzentration zu schärfen. Im Stundenplan war der vierte Tag als „Vipassana-Tag“ gekennzeichnet und am Nachmittag sollte es losgehen. Voll motiviert und leicht aufgeregt verbrachte ich die letzten Stunden damit, mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Zwar hatte ich mich vor dem Kurs informiert, was mich in etwa erwarten würde. Mein Fokus lag aber eher auf den Rahmenbedingungen bzw. den Regeln, die es zu beachten galt. So wusste ich zum Beispiel, dass Vipassana zu den Einsichtsmeditationen gehört. Über die eigentliche Technik habe ich mich vorher nicht informiert.


Für die erste Vipassana-Sitzung waren zwei Stunden Meditation vorgesehen. Die Tonbandaufnahme von Goenka startete und er führte uns in die Technik ein. Zuerst sprach er über das Addithana-Sitzen, das wir von nun an dreimal täglich für jeweils eine Stunde praktizieren sollten. Beim Addithana Sitzen soll der Meditierende seine Position während der gesamten Meditation nicht verändern. Dies soll die eigene Disziplin und Entschlossenheit stärken. Danach ging es gleich mit einer geführten Vipassana-Meditation los, die ich am ehesten mit dem Body Scan vergleichen würde, den ich in der Lehrveranstaltung von Prof. Dr. De Bruin kennenlernen durfte. Während der Meditation soll man in Gedanken alle Teile des Körpers scannen und dabei alle Sinneswahrnehmungen, die gerade in dem beobachteten Teil auftreten, objektiv betrachten. Sachlich bedeutet hier objektiv und gleichmütig, ohne Wertung. Unabhängig davon, ob es sich um eine angenehme Empfindung wie Kitzeln oder eine unangenehme Empfindung wie Schmerz handelt. Goenka führte uns mit der Konzentration immer vom Kopf zum Fuß und vom Fuß zurück zum Kopf. Kein Körperteil sollte ausgelassen werden.


Ich war erleichtert, mich endlich nicht mehr auf meine Atmung konzentrieren zu müssen, sondern ein neues Meditationsobjekt zu haben. So fiel es mir nach der dreitägigen Vorbereitung nicht mehr schwer, meine Konzentration auf einen bestimmten Punkt zu richten bzw. durch meinen Körper wandern zu lassen. Zumal ich mich auch bei meiner fast täglichen Meditation zu Hause meistens auf einen Punkt zwischen meinen Augenbrauen konzentriere. Dennoch gab es einige Stellen oder sogar ganze Körperteile, an denen ich kaum oder gar keine Empfindungen spüren konnte. Dazu gehörten zum Beispiel meine Oberarme und Schultern. Schmerz war am Anfang meine mit Abstand deutlichste Sinneswahrnehmung. Vor allem mein Rücken und meine Beine schmerzten gegen Ende der Aditthana-Sitzungen, so dass es mir kaum möglich war, meine Position zu halten. Ich erinnerte mich an Goenkas Worte, allen Sinneswahrnehmungen mit Gleichmut zu begegnen, und an die Entschlossenheit, die wir im Aditthana-Sitz zum Ausdruck bringen sollten.


In den Vorträgen ging es auch immer wieder um das universelle Gesetz der Veränderung, das besagt, dass die einzige Konstante im Universum die Veränderung ist. Alle materiellen Dinge, die wir sehen oder berühren können, verändern sich ständig. Sie können einen neuen Zustand annehmen (z.B. Aggregatzustände), brechen irgendwann oder zerfallen. Die kleinsten Teilchen sind ständig in Bewegung. So erscheinen feste Körper starr, obwohl sie aus einer Masse von sich ständig bewegenden Atomen bestehen. Dieses Gesetz des Universums sollte uns in der Meditation ständig bewusst sein. Alles ist vergänglich und alles verändert sich ständig. Auch unser eigener Körper und alle Sinneswahrnehmungen sind Ausdruck von Veränderung. Jede Sinneswahrnehmung (ob angenehm oder unangenehm) hat dieselbe Eigenschaft. Sie entsteht und verschwindet nach einiger Zeit wieder. Einige grobe Empfindungen wie Schmerz können über einen längeren Zeitraum auftreten, andere feine Empfindungen wie ein Kribbeln. Aber beide haben die gleiche Eigenschaft, dass sie auftreten, aber früher oder später auch wieder verschwinden. Für mich war das Modell vom Gesetz des Universums, dem Gesetz der Veränderung, in sich logisch schlüssig, weil es ein allgemeingültiges Modell ist, das auf alle Dinge (materiell oder immateriell) angewendet werden kann.


Mit dieser Erkenntnis meditierte ich weiter und konnte das Gesetz der Unbeständigkeit am eigenen Leib erfahren. So groß meine körperlichen Schmerzen während des Sitzens auch waren, wenige Minuten nach der Meditation waren auch sie verschwunden. Nach dem vierten Tag kam ich in eine Art Flow-Zustand, der Tagesablauf wurde zur Routine. Das frühe Aufstehen bereitete mir weniger Probleme und die Pausen verbrachte ich nicht mehr ausschließlich im Bett, um Schlaf nachzuholen. Ich nutzte die Zeit für kleine Aktivitäten und versuchte, meine Achtsamkeit immer aufrecht zu erhalten. So konnte sich ein Spaziergang im Freien und das Beobachten der Umgebung wie eine Meditation anfühlen. Ich spürte, wie sich mein Bewusstsein zu verändern begann und ich Dinge wahrnahm, die ich vorher nie bemerkt hätte. Ich hatte das Gefühl, dass mein Bewusstsein geschärft wurde und ich sensibler für meine Außenwelt und für die Dinge, die in meinem Inneren vor sich gingen, wurde. Natürlich gab es auch Zeiten, in denen mir die Meditationssitzungen wie eine Ewigkeit vorkamen und ich nicht in tiefere Stadien eindringen konnte. Wenn mir danach war, verließ ich die Halle, um ein paar Minuten an der frischen Luft zu gehen, und meditierte dann in meinem Zimmer weiter. Durch diese kurzen Pausen konnte ich neue Kraft für den Rest der Zeit schöpfen. So vergingen die Tage, einer nach dem anderen, mit kleinen Höhen und Tiefen. Wie ein Mantra wiederholte Goenka immer wieder seine Worte, in denen er uns aufforderte, kontinuierlich und ausdauernd zu arbeiten und das Beste aus der verbleibenden Zeit zu machen.


Ab dem siebten Tag spürte ich, dass sich der Kurs langsam dem Ende näherte. Von nun an durften wir während der Meditationssitzungen keine Pausen mehr machen. Die Technik hatte bereits positive Auswirkungen auf mein Bewusstsein und meine Achtsamkeit. Meine Meditation wurde immer tiefer und ich begann, subtilere Empfindungen wahrzunehmen, die mir vorher verborgen geblieben waren. Ich konnte auch Empfindungen in meinem ganzen Körper spüren. Von nun an sollten wir unsere Aufmerksamkeit in einem Fluss durch den Körper lenken. Vom Kopf zu den Füßen und wieder zurück zum Kopf. Dabei sollten wir mehrere Körperteile gleichzeitig wahrnehmen und unsere Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper lenken. Ich war entschlossen, die verbleibenden Tage so gut wie möglich zu nutzen und versuchte, die Pausen auf das Nötigste zu beschränken. Auch in der Dhamma-Halle konnte man den Anstieg der Konzentration und Ernsthaftigkeit unter den SchülerInnen förmlich spüren.


Der neunte Tag war der Tag, an dem das Edle Schweigen enden sollte. Das heißt, wir durften wieder miteinander kommunizieren, nachdem wir die Dhamma-Halle verlassen hatten. Es war für alle SchülerInnen ein spannender Tag, denn davor war jeder mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt. Jetzt hatten wir die Möglichkeit, uns über unsere Erfahrungen auszutauschen. Es wurde viel gelacht und man lernte die Leute kennen, die man vorher 9 Tage lang gesehen hatte, ohne ein Wort miteinander wechseln zu können. Es war eine sehr interessante Erfahrung, da ich mit meinen Vorurteilen gegenüber Menschen, die ich nicht kannte, konfrontiert wurde. Oft waren die Menschen ganz anders, als man es sich die ganze Zeit vorgestellt hatte. Von nun an durften auch die Frauen in den Pausen den Männerbereich besuchen. So fand (bis auf die verbleibenden Meditationszeiten) ein reger Austausch unter den Anwesenden statt. Eine sehr achtsame und bewusste Kommunikation, die sich bis in die Nacht hinzog.


In der Meditation nach dem Abendvortrag am neunten Tag hatte ich den wohl denkwürdigsten Moment des ganzen Kurses. Wieder einmal sollten wir unsere Aufmerksamkeit von Kopf bis Fuß richten. So konzentrierte ich mich, wie in den Tagen zuvor, zunächst auf den höchsten Punkt meines Kopfes, der einen Durchmesser von etwa drei Zentimetern hatte. Es war, als würde ein elektrisierender Strahl von oben auf meinen Kopf treffen. Zuvor hatte ich in der Meditation noch nie eine intensive Sinneswahrnehmung an meinem Körper gehabt. Ich konnte den Punkt über meinen ganzen Kopf lenken und es fühlte sich an wie elektrische Impulse, die sich in hoher Geschwindigkeit abspielten. Wie ein intensives Kribbeln, das ich bewusst über meinen Kopf lenken konnte.


Am zehnten Tag gab es nur drei Meditationsstunden, einen Vortrag und ein gemeinsames Treffen der Schüler im männlichen und der Schülerinnen im weiblichen Speisesaal. Dabei wurden noch organisatorische Dinge geklärt, z.B. wurden Freiwillige eingeteilt, die am Abreisetag beim Aufräumen und Putzen helfen sollten. Die Meditation am letzten Tag fiel mir etwas schwerer, da den ganzen Tag über geredet wurde, was sich negativ auf meine Konzentration auswirkte. Am Ende der letzten Meditation überkam mich ein Gefühl der Erleichterung und des Stolzes, die ganzen 10 Tage durchgehalten zu haben, trotz der anfänglichen Schwierigkeiten und Zweifel. Der Kurs war nun vorbei. Eine sehr intensive Zeit mit Höhen und Tiefen. Mit sehr schönen und weniger schönen Momenten. Ich würde sogar sagen, dass dieser Kurs die bisher größte Herausforderung in meinem Leben war und mir alles abverlangt hat. Aber auch eine der besten Erfahrungen, die ich bisher machen durfte und ich bin froh und dankbar, diese Möglichkeit bekommen zu haben.


Ein Erfahrungsbericht von Rafael Arteaga Gehrke


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